Date
02.12.2025
Focal areas
Rohstoffeffizienz und Kreislaufwirtschaft
Regions
Vietnam
Linked project
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© Petra Schneider

RENO-TITAN: NORM im Fokus - Wissenstransfer von Deutschland nach Vietnam

Vom 10. bis 18. September 2024 besuchten zehn vietnamesische Fachleute aus Verwaltung, Forschung und der Titanindustrie im Rahmen einer Studienreise das deutsche Projektteam von RENO-TITAN. Ziel der Reise war es, deutsche Lösungen im Strahlenschutz im Allgemeinen und speziell im Umgang mit natürlich radioaktiven Materialien (NORM) kennenzulernen – vom sicheren Management bis zu Entsorgung oder Wiederverwendung in Bauprodukten.

NORM-Rückstände entstehen unter anderem, wenn sich natürliche Radionuklide durch industrielle Prozesse anreichern. Dies geschieht in Vietnams Titanbergbau ebenso wie in deutschen Anwendungsbereichen, die von der Trinkwasseraufbereitung bis zu Erd- und Erdgasindustrie, Zirkonindustrie oder tiefer Geothermie reichen.

Die Studienreise erfolgte im Rahmen des Projektes RENO-TITAN, das im Rahmen der Fördermaßnahme CLIENT II gefördert wird. RENO-TITAN entwickelt Lösungen für den sicheren Umgang mit NORM-Rückständen in Vietnams Titanindustrie.

Die Delegationsreise umfasste mehrere Stationen: 

KRONOS in Nordenham: Vom Rohstoff zum Weißpigment

 

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Die vietnamesische Delegation besuchte zuerst das Werk von KRONOS Worldwide, Inc. in Nordenham, Niedersachsen, einem weltweit tätigen Hersteller des Weißpigments Titandioxid. Titanoxid verleiht Produkten wie Farben, Kunststoffen und Papier seine hohe Weißkraft und Deckfähigkeit. Vor Ort erlebten die Besucher:innen, wie durch das Sulfatverfahren aus dem eisen- und titanhaltigen Mineral Ilmenit reines Titandioxid entsteht: Zunächst werden Eisenbestandteile mit Schwefelsäure herausgelöst. Danach wird das zurückbleibende Titanoxidhydrat bei hoher Temperatur so stark erhitzt, dass sich reines, weißes Titandioxid in Kristallform bildet. Durch anschließendes Feinmahlen und eine gezielte Oberflächenbehandlung erhält das Pigment schließlich die gewünschten Eigenschaften für die spätere Verwendung.

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Im Fokus der Ausführungen vor Ort stand der Kreislaufgedanke: Die benötigte Schwefelsäure stammt von einem Nachbarunternehmen und wird mehrmals wiederverwendet. Dabei anfallende Eisensalze vermarktet das Unternehmen als wertvolle Co-Produkte. Kläranlagen setzen diese unter anderem zur Phosphatentfernung oder in der Zementproduktion ein. Durch diese Kopplung der Stoffströme nutzt das Unternehmen Ressourcen effizient und minimiert Abfälle. Das seit 1969 bestehende Werk produziert mit ca. 350 Beschäftigten etwa 60.000 Tonnen Titanoxid pro Jahr und profitiert dabei von seinem Hafenanschluss. Die Titanherstellung berührt das Thema NORM, weil natürliche Radionuklide aus Ilmenit/Rutil sich in Aufbereitungs- und Abfallströmen anreichern können.

Asse II: Transparenz beim Umgang mit Altlasten

 

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Der Besuch der Schachtanlage Asse II bei Wolfenbüttel gab der vietnamesischen Delegation Einblick in Deutschlands Umgang mit radioaktiven Altlasten. In den 1960/70er Jahren wurden in der Schachtanlage Asse II schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert, da das Salzbergwerk als sicher galt. Heute ist bekannt, dass Salzwasser eindringt und die Stabilität gefährdet. Daher hat Deutschland die in dieser Form weltweit einmalige Rückholung aller Abfälle beschlossen. Besonders interessant ist hierbei der transparente Umgang mit der Öffentlichkeit: Durch regelmäßige Informationskampagnen, öffentlich zugängliche Messdaten und Bürger:innenmessstellen werden Anwohnende aktiv einbezogen.

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Auch im Umgang mit NORM-Rückständen ist Vertrauen ein Schlüssel. Zentral sind dabei ein angemessenes Monitoring, betriebliche Vorsorge und offene Kommunikation – selbst wenn die radiologischen Risiken deutlich niedriger sind als im Fall Asse II.

Sachsen-Anhalt: Vom Messwert zur Maßnahme

 

 

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Der Besuch der Hochschule Magdeburg-Stendal diente der Vertiefung der Strahlenschutzgrundlagen. In Deutschland liegt die natürliche mittlere Jahresdosis bei rund 2,1 Millisievert (mSv). Der Großteil davon wird durch das Edelgas Radon in der Atemluft verursacht. Zusätzlich kommen im Mittel etwa 1,5 mSv pro Einwohner:in durch medizinische Anwendungen wie Röntgen hinzu, sodass die Gesamtexposition typischerweise bei etwa 3,6 mSv pro Jahr liegt. 

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In Sachsen-Anhalt betreffen NORM-Fälle u.a. die Erdgasförderung in der Altmark, wo radioaktive Ablagerungen fachgerecht entsorgt werden müssen. Ein weiteres bekanntes Beispiel sind die Schlacken aus dem Mansfelder Kupferschieferbergbau, deren Verwendung im Straßen- und Wasserbau deutschlandweit an vielen Orten zu lokal erhöhten Strahlenwerten geführt hat.

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Deponie Cröbern: NORM-Beseitigung in der Praxis

 

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Die Zentraldeponie Cröbern bei Leipzig nimmt bestimmte NORM-Rückstände zur Endlagerung an – ausschließlich unter strengen Auflagen in enger Abstimmung mit den Fachbehörden Sachsens. Es müssen radiologische Bewertungen und abfallrechtliche Nachweise vorliegen, die belegen, dass die zusätzliche Strahlendosis für die Bevölkerung unter 1 Millisievert pro Jahr bleibt. Typische Abfälle sind etwa Ablagerungen aus der Erdgasindustrie oder verbrauchte Filter aus der Wasseraufbereitung. Die Deponie prüft jede Lieferung sorgfältig, überwacht die Einlagerung und berichtet an die Behörden.

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Eurofins IAF Radioökologie: NORM-Rückstände sicher einbinden

 

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Im Labor der Eurofins IAF Radioökologie testeten die Fachleute, wie man NORM-Rückstände aus Vietnam sicher in Bindemitteln fixieren kann. Die Delegation verglich klassischen Portlandzement und moderne Geopolymere als Matrix. Beide Materialien bewährten sich in verschiedenen Versuchen erfolgreich: Sie blieben stabil und hielten die Radionuklide sicher zurück – weit unterhalb der Richt- und Parameterwerte für Trinkwasser. Während Zement günstig und einfach in der Handhabung ist, sind Geopolymere besonders beständig gegen Chemikalien und Hitze.

G.E.O.S.: Vom Labor in die Anwendung

 

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Bei G.E.O.S. in Halsbrücke (Sachsen) bekam die vietnamesische Delegation einen Eindruck davon, wie Forschung in praktische Anwendungen münden kann. In einer Pilotanlage wird Thorium aus alten Leichtbau-Legierungen der Luft- und Raumfahrt abgetrennt. In einem zweiten Projekt, das der Gruppe vorgestellt wurde, geht es um die Regeneration von Filtermaterialien aus der Trinkwasseraufbereitung, sodass diese mehrfach genutzt werden können. So werden Ressourcen geschont und Abfallmengen reduziert.

Fazit

Die vietnamesische Delegation zeigte sich sehr zufrieden mit dem Besuch in Deutschland. Besonders wertvoll waren die direkten Einblicke in die Industriepraxis, die Messübungen und die Verfahren zur sicheren Fixierung von NORM-Rückständen. Die gewonnenen Erkenntnisse lieferten anwendbare Lösungsbausteine für die Titanindustrie und andere Branchen in Vietnam, in denen NORM-Rückstände entstehen und gemanagt werden müssten, so die Fachleute.

© Petra Schneider

Für mehr Informationen zu RENO-TITAN besuchen Sie die Projektseite.