ÖkoFlussPlan: Ein kirgisisches Dorf entwickelt seine eigenen Strategien zum Schutz seines Auwaldes
Das Projekt ÖkoFlussPlan zielt darauf ab, die teilweise übernutzten Auwälder entlang des Naryn-Flusses in Kirgisistan zu erhalten und möchte hierfür – unter anderem – nachhaltige Management-Empfehlungen geben. Kann es gelingen, diese aus der lokalen Bevölkerung heraus zu entwickeln, sodass kein postkolonialer Beigeschmack dabei entsteht? Eine mögliche Antwort auf diese Frage liegt in Stakeholder-Workshops auf Basis der Conservation Standards (CS), einer naturschutzfachlichen Methode, die das Wissen verschiedener Akteure zusammenführt, um eine gemeinschaftlich getragene Lage-Analyse und darauf aufbauende Strategien zu erarbeiten.
Anfang Dezember richtete die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) einen solchen einwöchigen Workshop im Dorf Ak-Tal aus, das direkt am Naryn-Fluss gelegen ist und über beträchtliche Auwald-Flächen verfügt. Zum Eröffnungstag war die gesamte Bewohnerschaft in das örtliche Kulturhaus eingeladen, um über den Workshop zu informieren und um gemeinsam die Ökosystemdienstleistungen des Auwaldes zu erfassen. An den folgenden vier Tagen trafen sich 20 ausgewählte Teilnehmer*innen in den engen Räumlichkeiten der Lokalen Selbstverwaltung:
- 3 Teilnehmer von der Distrikt-Forstverwaltung,
- 3 Mitglieder der Lokalen Selbstverwaltung,
- 3 Mitglieder des Weide-Komitees,
- 2 Hirten,
- 2 Mitglieder des Ältesten-Rates,
- 2 Mitglieder des Frauenrates,
- 2 Mitglieder des Jugendrates,
- 1 deutscher Facilitator (HNEE),
- 1 kirgisischer Co-Facilitator (CAMP Alatoo),
- 1 kirgisische Übersetzerin.
Ferner wurde der Workshop per Video-Calls unterstützt durch einen Auwald-Experten (Florian Betz, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und einen Experten für Klimawandel in Zentralasien (Timo Schaffhauser, Technische Universität München).
Während draußen vor der Tür bei eisigen Temperaturen der Bau des ÖkoFlussPlan-Reallabors weiter Form annahm, mit dem die Technische Hochschule Ingolstadt dort nachhaltige Energie- und Isolierungslösungen demonstrieren möchte, diskutierten drinnen die Workshop-Teilnehmer angeregt die folgenden aufeinander aufbauenden Fragestellungen:
- Wie ist der aktuelle Zustand des Auwalds (Ecosystem Viability)?
- Welche Bedrohungen liegen an (Threats)?
- Was sind die sozio-ökonomischen Ursachen der Bedrohungen (Contributing Factors)?
- Was für einen Ökosystem-Zustand möchten wir erreichen (Goals)?
Da die Teilnehmer unterschiedlichen Interessengruppen angehörten, wurde teils kontrovers und manchmal sogar hitzig debattiert: Ist z.B. die legale Holznutzung (neben der illegalen) ebenfalls eine Bedrohung?! Aber jeder Schritt der Diskussion wurde nachvollziehbar mit Moderationskarten dokumentiert, sodass sich gegen Ende eine kohärente Lage-Analyse materialisierte. Diese ist aus Sicht der Moderatoren zwar nicht vollständig: Die Teilnehmer konnten sich z.B. nicht dazu entschließen, die zweifelhaften Mechanismen der legalen Holznutzung und die im Oberlauf geplanten Wasserkraftwerke als Bedrohungen anzusprechen (hier ist noch viel Informationsarbeit zu leisten!). Der unbestreitbare Vorteil dieser diskursiven Lage-Analyse besteht aber darin, dass alle anwesenden Parteien voll und ganz dahinterstehen.
Auf dieser soliden Grundlage wurden gegen Ende des Workshops 15 Konsens-Strategien erarbeitet, von denen 12 einer differenzierten Machbarkeitsbetrachtung standhielten. Die Strategien zielen darauf ab, die zuvor ananlysierten Bedrohungen a) der Überbeweidung, b) der illegalen Holznutzung, und c) der Waldbrände zu reduzieren sowie d) die Resilienz des Auwaldes gegenüber den Klimawandel-Bedrohungen zu erhöhen. Diese Ergebnisse sollen im Januar von zwei Workshop-Teilnehmer*innen in der jährlichen Dorfversammlung präsentiert werden.
Das ÖkoFlussPlan-Konsortium sollte diese lokal erarbeiteten Strategien auf ihre Skalierbarkeit prüfen und für zukünftige Management-Empfehlungen berücksichtigen.